CMS Auswahl: Wie man das passende System findet
Wer eine Webseite plant, steht irgendwann vor der Frage, ob und mit welchem CMS (Content Management System) er die Website umsetzen will. Das CMS Angebot ist jedoch unüberschaubar und die bekanntesten CMS sind längst nicht für jede Webseite die beste Wahl. Eine intensive Suche zahlt sich jedoch aus, denn je besser das CMS die Arbeit der Anwender unterstützt, desto höher ist deren Akzeptanz und desto eher wächst deren Produktivität. Daher sollte man bei der CMS Auswahl auch immer beim Anwender beginnen und deren Anforderungen an das CMS klar definieren. Erst danach macht es Sinn, den unübersichtlichen CMS Markt zu sondieren und die Auswahl entsprechend einzugrenzen.
Wann man ein CMS für Webseiten benötigt
Es gibt verschiedene Situationen, in denen man ein CMS für eine Webseite erwägt, und zwar immer dann,
- wenn es um eine komplett neue Webseite geht und man die Frage nach der Umsetzung stellt;
- wenn es um den Relaunch einer bestehenden Webseite geht und man einen Wechsel auf eine neue Technologie erwägt;
- wenn das bisherige CMS nicht mehr den Anforderungen genügt oder veraltet ist;
- wenn man sich für eine neue technische Strategie entscheidet.
In vielen Fällen kann am Ende aber auch die Entscheidung stehen, auf ein traditionelles Content Management System komplett zu verzichten. Stattdessen kann man bei sehr einfachen Anforderungen auf einen Web-Baukasten zurückgreifen. Hat der Anwender einen technischen Hintergrund, kann man sich für einen Static Site-Generator entscheiden. Bei einer technologischen Neu-Ausrichtung und speziellen Anforderungen kann man die neuen Headless-CMS in Betracht ziehen, die sich in vieler Hinsicht ebenfalls von den klassischen CMS unterscheiden. Bei sehr komplexen und individuellen Anforderungen kann man sich schließlich auch noch für eine komplette Eigen-Entwicklung auf Basis eines Entwicklungs-Frameworks entscheiden.
Zu den einzelnen Alternativen gibt es später noch mehr Details, an dieser Stelle reicht erst einmal die Erkenntnis, dass die Auswahl des CMS entscheidend von den Anforderungen der Anwender und den Details der geplanten Webseite abhängt. Und diese Anforderungen sollte man erst einmal klar definieren. Das kann im kleinen Umfeld in Eigen-Regie geschehen, in größeren Unternehmen sind in der Regel jedoch mehrere Personen an der Definition der Anforderungen und auch an der Auswahl des CMS beteiligt.
Wer an der CMS-Auswahl beteiligt ist
Die CMS Auswahl findet in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen statt: In einem kleinen Umfeld wird die Entscheidung direkt zwischen einem Dienstleister und dem Auftraggeber gefällt, im einfachsten Fall also nur von zwei Personen. Bei größeren Unternehmen sind in der Regel mehrere Abteilungen beteiligt. Und da es um die technische Umsetzung geht, ist die IT meist stark vertreten, wenn nicht sogar federführend.
Die IT ist jedoch nicht der alleinige Entscheidungsträger, da die erfolgreiche Einführung einer neuen Technologie immer ganz wesentlich von der Akzeptanz der Anwender abhängt. Die Anwender sind im Schwerpunkt Redakteure und Content-Manager und stammen im Unternehmens-Umfeld aus Abteilungen wie Kommunikation, Marketing oder Vertrieb. Daneben gibt es noch weitere Anwenderkreise, zu denen Designer, SEO-Profis, Konzepter und weitere Spezialisten gehören. Und all diese Anwenderkreise sind gefordert, wenn es um die Definition der Anforderungen an ein CMS geht.
Anforderungen: Feature-Matrix und Nutzer-Szenario
Der Anwenderkreis, also Redakteure, Content-Manager und Marketing-Experten, sollten zum Zeitpunkt der CMS-Auswahl bereits viel Vorarbeit geleistet haben, und zwar vor allem die Definition von Zielen und die Klärung der grundsätlichen Ausrichtung der Webseite im Zuge der Website Planung. Bei der Auswahl des CMS kommt es darauf an, die allgemeinen Anforderungen an die Webseite noch einmal auf die Technologie herunterzubrechen, also Features, Workflows und Anwendungsszenarien zu definieren.
In der Vergangenheit hat man bei der CMS-Auswahl gerne endlose Feature-Listen und Feature-Matrixen genutzt. Und auch Content Management Systeme arbeiten selbst immer wieder mit kleinen Matrixen, die Ihre Vorzüge gegenüber Wettbewerbern herausstreichen sollen. Feature-Matrixen können auch durchaus Sinn machen. Wer sich allerdings die unendlichen (und meist veralteten) Feature-Listen auf cmsmatrix anschaut, erkennt schnell, dass solche zusammenhanglosen Listen bei der CMS-Auswahl kaum helfen werden.
Features | CMS A | CMS B | CMS C |
---|---|---|---|
Feature 1 | ja | nein | nein |
Feature 2 | ja | ja | ja |
Feature 3 | ja | nein | ja |
Feature 4 | ja | ja | nein |
Feature-Matrixen machen lediglich im ersten Schritt Sinn, um sicherzustellen, dass das ausgewählte System die Kern-Anforderungen wie beispielsweise mehrsprachige Webseiten unterstützt. Eine Feature-Liste sagt jedoch nichts darüber aus, wie gut sich ein CMS im Arbeits-Alltag bewährt. Im Gegenteil: Manche Content Management Systeme sind derart mit Features überladen, dass sich die Anwender im Arbeits-Alltag eher behindert als unterstützt fühlen. Viel wichtiger als Feature-Matrixen sind daher kurze Beschreibungen von Nutzer-Szenarien und Workflows. Solche Nutzer-Szenarien können aus verschiedenen Perspektiven geschrieben werden:
- Der Redakteur: Was sind die wichigen täglichen Aufgaben und wie sehen die Arbeitsschritte aus?
- Der Besucher der Webseite: Wie bewegt sich der Besucher über die Webseite, was will er erreichen und welche Features nutzt er dazu?
- Der Administrator: Welche Einstellungs- und Administrations-Möglichkeiten benötigt er? Gibt es beispielsweise verschiedene Anwenderkreise, die über feingranulare Rollen und Rechte abgebildet werden müssen?
- Der Entwickler: Welche Anforderungen werden am häufigsten gestellt? Müssen häufig Erweiterungen oder Templates entwickelt werden?
Solche Nutzer-Szenarien können relativ knapp in ein paar Sätzen beschrieben werden. Wenn Szenarien besonders komplex sind, können Workflows auch über Aktivitätsdiagramme oder andere Flow-Charts abgebildet werden. Bei gewöhnlichen Webseiten sind solche Modellierungen (UMLs) eher die Ausnahme. Bei Business-Software spielen UMLs im Rahmen des Business Process Managements jedoch eine zentrale Rolle.
Als Beispiel: Der Redakteur muss täglich Pressemitteilungen veröffentlichen. Die Pressemitteilungen werden als Word-Dokument mit verschiedenen Medien wie Bilder, Statistiken oder PDFs angeliefert, sie sollen zeitversetzt veröffentlicht werden und in mehreren Listen auf der Webseite erscheinen. Parallel sollen sie automatisch in einem Feed und auf verschiedenen Social-Media-Plattformen publiziert werden.
Die Szenarien kann man anschließend priorisieren und mit der IT, den Dienstleistern und den Anbietern besprechen. Die Szenarien bieten natürlich auch eine gute Grundlage, um bei einer Vorführung verschiedener CMS die Systeme mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis zu prüfen und vergleichbar zu machen.
Die CMS-Auswahl einschränken
Auf Grundlage der Nutzer-Szenarien und der definierten Kern-Features kann man sich auf die Suche nach einem passenden CMS begeben. Dabei nutzen viele erst einmal die eigenen Erfahrungen, die Empfehlungen von Dienstleistern oder die üblichen Online-Statistiken (zum Beispiel cmscrawler, builtwith, whatCms). In 90 Prozent der Fälle wird man dann jedoch bei einem der dominanten CMS wie WordPress, Drupal, Typo3 oder Joomla landen. Ob die verbreitetsten CMS jedoch auch immer die beste Wahl für den individuellen Anwendungsfall sind, ist sehr fraglich.
Um eine etwas neutralere Kandidaten-Liste für ein neues CMS zu erstellen, sollte man sich einen groben Markt-Überblick verschaffen und sich mit verschiedenen Type von Content Management Systemen vertraut machen. Eine Begriffsklärung kann bei der Eingrenzung der Suche bereits helfen:
- CMS ist die Abkürzung für Content Management System und der Oberbegriff für den gesamten Markt (die Bezeichnung CMS-System ist daher eine Dopplung, die man in der Kommunikation vermeiden sollte). CMS wird meist synonym zu dem falchlich noch etwas korrekteren, aber selten verwendeten Begriff Web-Content-Management-System (WCMS) genutzt.
- ECMS ist die Abkürzung für Enterprise Content Management System und ein relativ schwammiger Marketing-Begriff für komplexe Systeme, die in einem komplexen und großen Unternehmens-Umfeld eingesetzt werden können. Dazu gehören Systeme wie Adobe AEM, Coremedia oder FirstSpirit, um nur einige proprietäre Kandidaten zu nennen. Weitere Begriffe aus diesem Enterprise-Bereich sind beispielsweise WEM (Web Experience Management) oder DXP (Digital Experience Platform).
- Flat-File-CMS sind spezielle CMS ohne Datenbank. Statt einer Datenbank nutzen die Systeme einfache Text-Dateien, um die Inhalte auf dem Server abzuspeichern. In der Regel gehören Flat-File-Systeme eher zu den leichtgewichtigen CMS, die für Blogs oder private Webseiten geeignet sind. Es gibt aber auch hier komplexere Systeme, die sehr gut für den kleineren Mittelstand eingesetzt werden können.
- Headless CMS sind Content Management Systeme, die eine Verwaltung von Inhalten anbieten, jedoch keine Generierung von Webseiten innerhalb des Systems ermöglichen. Stattdessen werden die Inhalte über eine Programmierschnittstelle (API) ausgeliefert. Die Schnittstellen können von Entwicklern genutzt werden, um Inhalte abzurufen und daraus andere Content-Anwendungen (wie zum Beispiel eine Webseite) zu erstellen. Headless CMS gehören derzeit zu den großen Trends im CMS-Markt, eigenen sich aber dennoch längst nicht in jedem Anwendungsfall.
- Cloud-CMS sind online basierte Content Management Systeme, die die Erstellung und Verwaltung von Webseiten ermöglichen. Im Gegensatz zu den Webbaukästen handelt es sich hier allerdings um komplexe Anwendungen, die auch im Enterprise Umfeld eingesetzt werden können. Manche ECMS-Anbieter ermöglichen die Nutzung ihres CMS zusätzlich über die Cloud. Auch Headless-CMS werden in den meisten Fällen als Cloud-Dienste angeboten und nur selten als eigengehostete Software.
- Static Site Generatoren sind keine Content Management Systeme, sondern technische Hilfsmittel zur Generierung statischer HTML-Auftritte. Bekannte Beispiele sind Jekyll oder Hugo. Für normale Anwender sind Static Site Generatoren keine Option, da die technischen Hürden zu groß sind. In der Technik-Szene haben Static Site Generatoren die klassischen Content Management Systeme jedoch fast vollständig abgelöst. Sie werden sowohl für Dokumentationen, als auch für kleine Webseiten oder Blogs eingesetzt.
- Web-Baukästen sind nur für einfache Webseiten im privaten Umfeld geeignet, in manchen Fällen auch für Freelancer oder Klein-Unternehmen. Über die Baukästen lassen sich ohne technische Kenntnisse Webseiten mit beschränkten Funktionalitäten erstellen. Allerdings wird der Arbeitsaufwand für die Erstellung der Webseite in Eigen-Regie oft unterschätzt.
- Proprietär oder Open Source: Die Unterscheidung zwischen proprietär und Open Source ist zwar sehr gängig, macht als Auswahl-Kriterium jedoch nur selten Sinn, auch wenn darüber oft emotionale Diskussionen geführt werden. Open Source bedeutet, dass die Software über Lizenzen wie MIT oder GPL frei verbreitet werden kann. Proprietäre System werden dagegen über eine kostenpflichtige Lizenz vertrieben und dürfen nicht frei weitergegeben werden. Über die Qualität der Systeme sagt Open Source und proprietär nichts aus, und natürlich entstehen auch beim Einsatz von Open Source CMS Kosten.
Die Unterscheidungen helfen, die Auswahl auf kleinere Markt-Segmente zu begrenzen. Um danach geeignete Systeme zu finden, kann man neben den erwähnten Statistik-Diensten auch Verzeichnisse und Reviews nutzen. Neben CMSstash gibt es zahlreiche teils sehr umfangreiche Verzeichnisse und Fach-Publikationen wie cmswire oder cmscritic. Außerdem gibt es regelmäßige Studien zum Beispiel von Gartner. Auch hierzulande gibt es Recherche-Quellen, beispielsweise die Arbeitsgruppe Bitkom-ECM oder den CMS-Vergleiche vom Contentmanager, beide eignen sich allerdings eher bei der Recherche im ECM-Markt. Schließlich kann man auch noch mit Tools wie BuiltWith oder WhatCMS und etwas Glück herausfinden, welche Systeme die Wettbewerber nutzen.
Das CMS im Vorfeld testen
Sobald man eine CMS Liste mit einer Hand voll Kandidaten zusammengestellt hat, sollte man die Systeme testen. Open Source Systeme sind ohnehin frei verfügbar, aber auch kleinere proprietäre Systeme bieten häufig Demo-Versionen zu Test-Zwecken an. Die IT kann die Systeme dann installieren, sofern die Demo-Versionen nicht online verfügbar sind.
Bei sehr komplexen proprietären Systemen ist ein Test in Eigen-Regie keine Option: In der Regel werden keine Demo-Versionen angeboten und auch bei sehr komplexen Open Source Systemen ist die Installation und Einrichtung zu aufwändig. In diesem Fall können die CMS-Anbieter direkt kontaktiert und zu einer Demonstration des CMS eingeladen werden. Da es um entsprechende Summen und Verkaufs-Chancen geht, nehmen viele Anbieter solche Einladungen gerne an.
Egal in welchem Rahmen der Test verschiedener CMS organisiert wird, es schlägt die Stunde der vorher definierten Nutzungs-Szenarien. Denn statt sich wahllos die Vorzüge eines CMS zeigen zu lassen, sollte man die wichtigsten Nutzungs-Szenarien aus der eigenen Praxis durchspielen, um die Demonstration auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden und eine Vergleichbarkeit der Systeme herzustellen.
CMS und externe Dienstleister
Hat man am Ende ein passendes CMS gefunden, steht man unter Umständen vor der nächsten Herausforderung: Es gibt kaum Dienstleister, die genau dieses CMS im Portfolio haben. Und die Einarbeitung in ein komplett neues System und möglicherweise in eine neue Technologie ist für Dienstleister in vielen Fällen unrentabel.
In dieser Situation gibt es mehrere Lösungen:
- Man richtet sich nach dem Portfolio eines Dienstleisters, was sich häufig als die schlechteste Lösung erweist.
- Man sucht spezielle Dienstleister nur für dieses CMS. Das kann die Dienstleister-Auswahl allerdings erheblich einschränken.
- Man erweitert die CMS-Liste, um mehr Dienstleister zu finden.
- Man setzt auf einen separaten Dienstleister, der nur das CMS integriert, muss dann allerdings die Zusammenarbeit mehrere Dienstleister koordinieren.
- Ist eine eigene IT-Abteilung vorhanden, kann man die Mitarbeiter schulen und die technische Umsetzung und Integration selbst übernehmen. Das kann in vielen Fällen langfristig die beste Lösung sein.
Diese Schwierigkeiten entstehen, weil bei einer Webseite das CMS natürlich nur ein Aspekt ist und in den meisten Fällen das Marketing, die Konzeption und das Design bei der Auswahl eines Dienstleisters eine wichtigere Rolle spielen.
Tägliche CMS-News für Entwickler, Designer, Projektmanager und Anwender gibt es von @CMSstash auf Twitter. Twitter kann auch gerne für Hinweise zu Texten genutzt werden.